Dieses wunderschöne kleine Puppenhaus (aus den 1900er bis 1920er Jahren) stammt nicht, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, vom deutschen Hersteller Moritz Gottschalk. Sondern es ist dem elsässischen Unternehmen Villard & Weill zuzuschreiben, das 1872 in Lunéville (Frankreich) angesiedelt war. Durch die beachtlichen Ähnlichkeiten mit den Gottschalk-Häusern waren - und sind sogar Sammler sich bis heute nicht immer einig, von welchem Bauherrn die Modelle denn nun stammen. Mancherorts wurde in früheren Jahren behauptet, dass der Hersteller M. Gottschalk diese Häuser speziell für den französischen Markt hergestellt haben soll. Zu einer Zeit, in der man noch nicht auf das Internet zurückgreifen konnte, war es verständlich, daß solche Gerüchte die Runde machten. Zum Glück ermöglicht uns das Web heute allmögliche Nachforschungen, und lies mich so die Herkunft dieses hinreissenden Puppenhäuschens ermitteln. Und nicht nur das - das Puppenhaus selbst hätte ich ohne Datenautobahn gar nicht erst gefunden ...
Ich habe es Ende April 2025 in einem Second-Hand Internet-Portal, ähnlich wie Ebay, in Frankreich entdeckt und mich auf der Stelle verliebt. Da im Vergleich zum Original an der Vorderfront zwischen den zwei Pfosten das Geländer fehlt und auch im Innern des Häuschens die Tapeten nicht mehr original sind, habe ich mir erlaubt, ein wenig mit dem Preis zu verhandeln. Schliesslich konnte ich es für meine Sammlung gewinnen. Es ist ein sehr kleines, herziges Puppenhaus. Zum Größenvergleich steht es hier zwischen ein paar meiner anderen Häuser.
Dieses farbenfrohe kleine Häuschen verdankt seinen Namen "Deauville" dem gleichnamigen malerischen Badeort an der Westküste Frankreichs. Es weist architektonische Merkmale auf, die vom Stil der Häuser der normannischen Küstenorte Ende des 19. Jahrhunderts sehr beeinflusst sind: hohe, farbige und eckige Dächer, zweifarbige Ziegelsteine in schönen Mustern arrangiert. Die „Häuser vom Typ Deauville“, die aus Holz gefertigt sind, auf zwei Ebenen aufgebaut sind und sich öffnen lassen, waren seinerzeit die meistverkauften Puppenhäuser in Frankreich. Mein Deauville Puppenhaus ist das Spielzeug des Vaters der Dame gewesen, die mir das Haus verkauft hat. Er war Jahrgang 1924.
Der Versand des Häuschens verlieft unproblematisch und ich konnte es wie immer kaum erwarten, das gut eingewickelte Puppenhaus entgegen zu nehmen und auszupacken. So happy ich auch war in diesem Moment, ich ahnte nicht, welch böse Überraschung mich noch erwarten sollte...
Beim Näherbetrachten entdeckte ich zich kleine Löcher überall am Haus verteilt. Oh Nein! Es war bereits bewohnt: Der Holzwurm hat sein Unwesen hier getrieben und, schlimmstenfalls würde er sogar noch anwesend sein. Meine große Euphorie ließ auf der Stelle nach und mir wurde klar, daß ich diesen lästigen Mitbewohner auf jeden Fall loswerden musste. Zum Glück gibt es auf meiner eigenen Homepage einen wunderbaren Artikel über das "Thema Holzwurm" (von Nicole Aretz). Und da ich jetzt selber zum ersten Mal betroffen war, las ich diesen zunächst einmal gründlich durch.
Je mehr ich mich informierte, um so mehr bekam ich die Hoffnung, daß der ungebetene Gast im besten Fall nicht mehr anwesend ist. Wenn das Puppenhaus lange genug trocken stand, also nicht in einem feuchten Keller, sind die Untermieter längst ausgezogen. Jedoch mochte ich nichts dem Zufall überlassen und holte mir das Präparat zur Holzwurm-Bekämpfung (mit dem ich einmal einen alten Schrank behandelt hatte) aus dem Schuppen. Mit einer Spritze verteilte ich das übelriechende Mittel in jedes einzelne Loch und strich es sogar großzügig über die ganze Rückwand des Puppenhauses, da sich hier die meisten Löcher befanden.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, im Innern des Hauses nichts zu verändern. Jedoch ließ mir die mögliche Anwesenheit des kleinen Schädlings in den Fussblöden und an den Innenwänden keine Ruhe und ich beschloß, die alten Tapeten auch zu entfernen. Diese waren ohnehin nicht mehr die vom Original-Hersteller. Wie meistens, leider, waren auch hier in den Jahren die Wände mehrmals überklebt worden.
Überall hatten sie Spuren hinterlassen, die gefrässigen Larven des Holzwurms. Schon recht ekelig war das. Auch hier ging ich mit meiner Spritze ans Werk und bestrich die Böden zusätzlich mit Holzlasur. Ich würde hier später keine Fußbodentapete mehr aufkleben, sondern das Holz original so belassen. Mit einer alten Zahnbürste zog ich Furchen, damit das Ganze noch besser wie Parkettdielen aussah.
Dann hieß es "abwarten". Wären noch Larven aktiv, erkenne man dies an herausquellendem Holzmehl. Legt man schwarzes Papier oder Ähnliches unter die betroffenen Stellen, sieht man nach wenigen Tagen Holzmehl auf dem Papier. Diesen Rat habe ich befolg und die Methode angewendet. Ausserdem, das habe ich mir sagen lassen, höre man knabbernde Laute, wenn sich die Holzwürmer, vor allem nachts, durch das Holz fressen. Nichts hiervon, weder Holzmehl noch leise Geräusche, konnte ich nach einigen Tagen diagnostizieren. Gottseidank!
So konnte ich mich bald der Innenbekleidung widmen. Mir war bewusst, daß so ein altes Puppenhaus keine neue Tapeten bekommen darf, auch nicht, wenn sie auf antik nachgeahmt sind. Es sollte doch schon wirklich altes Papier sein. Ich stöberte auf dem Dachboden in angestaubten Kisten mit Büchern und stieß tatsächlich auf ein paar Klaviernoten-Partituren aus den 30er Jahren (die dürften noch meiner Mutter gehört haben). Wow! Genau, was ich brauchte. Ich "entkleidete" die Notenhefte in braun und grün und benutzte das schöne alte Papier als Wandbekleidung für mein Deauville Häuschen.
Das kleine kostbare Puppenhaus sollte natürlich eine ebenbürtige Einrichtung bekommen. Neben einer antiken schönen blauen Sitzgarnitur habe ich etwas wunderbar Passendes und einfach nur ganz Entzückendes gefunden : ein sogenanntes Trousseau, ein kleiner Koffer mit "Mignonette" Püppchen samt ihrer kleinen Ausstattung, alles noch original festgemacht in der Schachtel. Die kleine Dame in blau mit ihrem noch kleineren Puppenkind dürfen für eine Weile in das neue Puppenhaus einziehen.
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Anmerkung:
Ich hätte euch das kleine Deauville Puppenhaus auf eine Weise zeigen können, indem ich die ganze Geschichte vom Holzwurm gar nicht erst erwähnt hätte. Ich hätte es einfach weglassen können. Jedoch finde ich, und das möchte ich ausdrücklich hervorheben, daß man sich hierfür nicht zu schämen braucht und gerade bei uns Sammlern von solch alten Holzspielsachen kann jeder mal unerwartet davon betroffen sein. Gerade hier, auf einer Infoseite für alte Puppenhäuser- und Stuben sollte der richtige Ort sein, um sich Ratschläge, Trost und Unterstützung zu holen. Die alten Stuben und Häuser sind nun mal aus Holz gefertigt, haben viele Jahre überdauert um am Ende wieder aufzutauchen und von uns gefunden zu werden. Unsere Rolle soll es sein, ihnen ihren alten Glanz und ihre Ehre zurück zu geben.
Jacqueline (Mittwoch, 14 Mai 2025 13:50)
Wow, Ingrid.
Erst einmal herzlichen Dank für deinen schönen Kommentar. Du warst wieder so schnell. Die Idee mit dem Schockgefrieren gegen Holzwurmbefall ist ja richtig klasse. Danke, dass du uns diesen tollen Tipp verraten hast. Einige Stunden in der prallen Sonne soll ja anscheinend auch gut helfen. Weder Kälte noch Hitze mögen die Viecher also. Das ist gut zu wissen!
Ingrid (Mittwoch, 14 Mai 2025 13:15)
Ein ungewöhnliches Häuschen, auch die gemalte Aussenfassade.
Ich finde es gut Jacqueline, dass du die Sanierung beschrieben hast. Ja, leider bleibt das bei alten Holzteilen manchmal nicht aus.
Ich finde es aber nicht in Ordnung wenn der Verkäufer sowas nicht erwähnt, die Holzwurmlöcher waren ja nicht zu übersehen!
Aber du hast es zum Glück prima hinbekommen. Ich lege manchmal befallene Holzteile ,in Plastiktüte gut verpackt , für einige Tage in die Gefriertruhe. Das hilft auch gut. Aber bei der Größe etwas schwierig.
Mir gefällt ganz besonders gut das Trousseau, einfach entzückend.